Dienstag 19:11 Uhr: Nach einem ganz normalem Bürotag habe ich wie jede Woche meinen Mittleren von der Musikschule abgeholt und mit den Kids zu Abend gegessen. Etwas ist anders: Statt am Schreibtisch, um schnell noch einmal Mails zu checken, befinde ich mich im muffig riechenden Bahnhofstunnel des Wuppertaler Hauptbahnhofes um meinen Zug nach Berlin zu erwischen. Ein spannendes Projekt liegt vor mir.
Menschen eilen an mir vorbei, vor mir tippt eine junge Frau wild auf ihrem Handy herum. Plötzlich bleibt sie stehen und schreit ihr Handy an „Die Antwort auf `Ich liebe dich.` ist nicht ´ Ja `!“ Fast renne ich sie um als sie demonstrativ, als würde sie dem Ausrufezeichen auf der Tastatur mehr Nachdruck verleihen wollen, ein letztes Mal auf ihr Handy tippt um das arme Ding dann wütend in ihre Tasche zu werfen.
„Die Antwort auf `Ich liebe dich.` ist nicht „´ Ja `!“
In mir kommt die Frage auf, was denn wohl die Antwort auf „Ich liebe dich.“ sein könnte.
Ich meine, mir scheint zunächst, dass es sich bei diesem Satz ja nicht einmal um eine Frage handelt. Doch habe ich im Deutschunterricht wohl nie so richtig aufgepasst.
Was könnte also die richtige Antwort auf diese grammatikalisch scheinbar nicht bestehende Frage sein? Ich ahne, dass es etwas mit unseren nicht erfüllbaren Erwartungen an die Liebe zu tun haben könnte. „Ich liebe dich, also lieb `mich zurück, bitteschön.“, „Ich gebe dir doch alles, also gib du mir auch alles.“, „Ich habe immer Verständnis für dich, du aber verstehst mich nie.“, „Ich gebe dir immer Unterstützung, aber wenn ich dich mal brauche, bist du nicht da.“ … Ich könnte diese Liste beliebig lang fortführen. Du erkennst dich darin ein klitzekleines bisschen wieder?
Wie viel einfacher wäre dieses Ding mit der Liebe, wenn sie keinem Tauschgeschäft ähneln würde. Was wäre, wenn aus einem „Ich gebe dir etwas, also gib du es mir zurück.“ ein „Ich liebe dich einfach weil ich mich dazu entschieden habe, dich zu lieben.“ oder auch „Es ist mir ein Herzensanliegen, so gut ich kann für dich da zu sein weil es MIR wichtig ist.“ Einfacher nicht nur für das Gegenüber, das nicht mit jeder „Gabe“ direkt sein Gehirnkarussel anwerfen müsste, um sich unmittelbar ein Tauschobjekt einfallen zu lassen. Nein, einfacher vor allem auch für den Gebenden, denn dieser spart sich ja all den Stress, nun genau darauf zu achten, dass er auch etwas zurückbekommt. Spart sich „Enttäuschung“ (du weißt schon: das Ende einer Täuschung), „Schmerz“, und „verletzte Gefühle“.
Und überhaupt: Habe ich das Recht, jemanden in ein Schuldverhältnis zu bringen, nur weil ich eben frei nach meinen Werten (Liebe, Verständnis, Unterstützung…) handle, fühle, denke? Nicht ganz so fair oder? Zu radikal? Hm … vielleicht. Vielleicht aber auch nur ungewohnt …
Entscheide dich dafür, mir Verständnis entgegen zu bringen oder lass es eben, wenn dir gerade danach nicht zumute ist. Entscheide dich dafür, mich zu lieben, einfach so, oder eben nicht. Es ist doch nur deine Entscheidung, für die ich letztlich nicht verantwortlich bin. Ich darf mich darüber freuen … wenn ich mag. Ich darf dankbar sein, einfach ganz still mit mir selbst. Ich kann es annehmen oder eben auch nicht. Und darf mich wiederum frei entscheiden, in welchen Momenten ich dir Verständnis, Liebe, Unterstützung geben möchte oder eben auch nicht. Das macht frei. Dich und auch mich. Und als freie Menschen können wir uns auf Herzensebene begegnen. Und in diesem Moment könnte die Antwort auf „ich liebe dich.“ Vielleicht einfach ein „Danke, wie schön!“ sein. Oder wie war das jetzt noch mal mit der Grammatik?